Vergangenes Jahr ereigneten sich etliche Extremwetterereignisse in West- und Mitteleuropa. Grund dafür war in erster Linie das Sturmtief „Bernd“, welches im Juli letzten Jahres heftige Regenfälle mit sich brachte. Mindestens 14 europäische Staaten waren von mehreren Überschwemmungen und Sturzfluten betroffen. Am schlimmsten traf das Hochwasser die Benelux-Staaten, Deutschland, Österreich und die Schweiz. Im westlichen und südlichen Teil Deutschlands regnete es mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. Besondere mediale Aufmerksamkeit erlangten die Ereignisse im Ahrtal, das an der nördlichen Grenze von Rhein-Pfalz liegt. Die überwiegend kleinen Ortschaften waren besonders stark von den Überflutungen betroffen. Niederschlagsmengen und Wasserpegel der Flüsse erreichten jeweils ein Rekordhoch, sodass es sich um das verheerendste Hochwasser in der Umgebung handelte. Dieser Blogeintrag wird sich daher hauptsächlich mit den Überschwemmungsphänomenen im Ahrtal beschäftigen und zieht Bilanz..
Verlauf der Flutkatastrophe
Extreme Regenfälle führten am 14. Und 15. Juli 2021 zu verheerenden Überflutungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Infolge der heftigen Niederschläge kam es zu Überschwemmungen und Sturzfluten. Bundesweit handelt es sich um eine der schwersten Überschwemmungskatastrophen seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Hochwasser hat zahlreiche Gemeinden verwüstet. Tausende Häuser wurden beschädigt oder zerstört und ganze Brücken von der Flut mitgerissen. Dem deutschen Wetterdienst zufolge prasselten bis zu 150 Liter Regenwasser im Südwestlichen Teil Deutschlands auf einen einzelnen Quadratmeter herab. An einigen Stellen erreichte das Hochwasser sogar die umstehenden Umspannwerke, sodass deren Betreiber gezwungen waren den Strom zweitweise komplett abzuschalten. In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rhein-Pfalz waren insgesamt 200.000 Menschen vom regionalen Stromausfall betroffen. Der Pegel der Ahr – ein Nebenfluss des Rheins - erreichte mit über 5 Metern einen historisches Rekordhöchststand. An zahlreichen kleineren Gewässern trat das Wasser über die Ufer und bahnte sich den Weg in die im Tal gelegenen Wohngebiete.
Entstandene Schäden und geforderte Opfer
Die Flutkatastrophe forderte mehr als 180 Todesopfer und hunderte Verletzte. Am schlimmsten traf die Flut jedoch den rheinland-pfälzischen Teil des Ahrtals, in dem mindestens 135 den Fluten zum Opfer fielen. In Nordrhein-Westfalen kamen mindestens 48 Menschen ums Leben. Tausende Menschen wurden zudem schwer oder leicht verletzt. Zu den Verunglückten Personen gehörten auch zwölf Bewohner einer Behinderteneinrichtung der Stadt Sinzig.
Wichtige Verkehrswege und Bauwerke wie Brücken, Zuggleise oder Straßen wurden entweder teilweise oder ganz zerstört. Im Landkreis Ahrweiler wurden allein 62 Brücken von den Wassermassen zertrümmert und einzelne Teile von den Fluten mitgerissen. Etwa 9.000 Gebäude wurden stark beschädigt oder dem Erdboden gleich gemacht. Die Keller mehrerer öffentlicher Einrichtungen und Gebäude wie z.B. Krankenhäuser liefen voll. In einigen Fällen mussten ganze Bereiche komplett geschlossen werden und Patienten verlegt werden, um die medizinische Versorgung gewährleisten zu können. Zu den beschädigten öffentlichen Einrichtungen gehörten auch 14 Schulen sowie 19 Kindertagesstätten. Zudem wurden zahlreiche Strom- und Wasserleitungen erheblich in Mitleidenschaft gezogen und von der Flut und den Trümmern demoliert. Des Weiteren wurden mehrere Ölheizungen und Öltanks beschädigt. Dabei gelangten unter anderem Heizöl und unterschiedliche Chemikalien in umgebende Gewässer. Insgesamt verursachten die Überschwemmungen Sachschäden im Milliardenbereich.
Es fanden zudem zahlreiche Plünderungen der örtlichen Supermärkte, Drogerien und Einzelhandelsgeschäfte statt. Neben Lebensmitteln gehörten vor allem Werkzeuge und Handwerksbedarf zu den begehrten und notwendigen Gütern. Dazu zählen auch Instrumente zur Hochwasserabwehr, wie zum Beispiel Tauchpumpen oder Sandsäcke.
Reaktionen der Einwohner, Aufräumarbeiten und Krisenbewältigung
Viele der Einwohner standen nach den Ereignissen im vergangenen Juli unter Schock. Etliche Personen trauerten um verstorbene Angehörige oder bangten um das Leben vermisster Familienmitglieder oder Freunde. Verständlicherweise waren zahlreiche Seelsorger unterwegs, um den Betroffenen bei der Aufarbeitung der Geschehnisse zur Seite zu stehen.
Die Aufräumarbeiten und der Wiederaufbau der Infrastruktur im Ahrtal dauern zum Teil bis heute an. Ehrenamtliche und Berufliche Hilfskräfte reisten aus dem ganzen Land an, um beim Wiederaufbau und der Bergung von Menschen zu helfen. Das Technische Hilfswerk (THW) mobilisierte Einsatzkräfte aus allen möglichen Ortsverbänden Deutschlands, sodass im Schnitt etwa 4.000 Mitglieder pro Tag im Einsatz waren. Neben zahlreichen freiwilligen und privaten Hilfsarbeitern, entsandt auch die deutsche Bundeswehr 2.000 Soldaten und Soldatinnen in die betroffenen Regionen. Zu den Arbeiten der ehren- und hauptamtlichen Behörden bzw. Einsatzkräfte gehörte etwa das Verlegen von Sandsäcken und das Abpumpen von Wasser aus Gebäuden jeglicher Art. Zudem waren das THW sowie die Feuerwehr damit beschäftigt, eingestürzte Bauwerke zu räumen und zu stabilisieren. Des Weiteren wurde exzessiv nach vermissten Personen gesucht. Die Polizei war indes unter anderem mit der Verfolgung von Strafdelikten, wie z.B. mit der Plünderung von Supermärkten beschäftigt.
Trotz Unterstützung aus dem ganzen Land, fühlte sich der Großteil der Einwohner berechtigterweise vernachlässigt und allein gelassen. Vor allem hinsichtlich politischer Maßnahmen und Planung bei der Krisenbewältigung hagelte es massive Kritik. Mediale Präsenz erlangte insbesondere der damalige Ministerpräsident NRWs und spätere Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet. Dieser wurde in einem ungünstigen Moment lachend bei einem Besuch in der Krisenregion abgelichtet. Er entschuldigte sich öffentlich und gab zum Ausdruck, dass sein Lächeln nichts mit der furchtbaren Situation des Hochwassers zu tun hatte, allerdings ging das Foto viral und stand sinnbildlich für die Enttäuschung der betroffenen Anwohner gegenüber der Politik. Doch der Unmut und Frust richtete sich nicht nur gegen die Politik – vor allem fühlte sich die Bevölkerung auch von ihren Versicherungen vernachlässigt, deren Entschädigungszahlungen zunächst ausblieben.
15 Monate später – Mit welchen Maßnahmen haben Politik und Versicherungen geantwortet?
Auch ein Jahr später warten noch viele Betroffene auf Versicherungsentschädigungen. Insgesamt zahlten die Unternehmen zwar schon 8,5 Milliarden Euro an die Familien der Flutopfer und Beteiligten aus, allerdings müssen rund ein Viertel der Versicherungsfälle noch geprüft werden. Dies bestätigte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Fast 250.000 Anträge wurden von den Einwohnern gestellt. Die meisten Fälle betreffen die Hausrats- , Arbeits- und auch Autoversicherungen. Im Landkreis Ahrweiler entstand der größte, jemals gemessene Schadensdurchschnitt, der durch eine Flutkatastrophe eingetreten ist. Doch auch auf finanzielle Unterstützung durch den Staat mussten die Betroffenen und Regionen warten.
Bund und Länder bewilligten im vergangenen Jahr einen gemeinsamen Hilfsfonds für den Wiederaufbau der Infrastruktur im Ahrtal. Das Geld sollte sowohl Privatpersonen als auch Kommunen, Behörden sowie Unternehmen zur Verfügung stehen. Das Gesamtvolumen des Hilfspakets sollte 30 Milliarden betragen, wobei auch ein Jahr später erst ein kleiner Teil davon ausgezahlt worden ist. Rheinland-Pfalz standen demnach 15 Milliarden an finanziellen Mitteln zu, NRW sollte etwa mit 12 Milliarden Euro unterstützt werden sollen. Bis Juli 2022 wurden jedoch nur Zahlungen von jeweils 1,6 und 0,5 Milliarden Euro an die beiden Bundesländer bewilligt. Auf regionaler Ebene hat die Rheinland-pfälzische Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) angegeben, Fördermittel für den Wiederaufbau sowie für wichtige öffentliche Einrichtungen freigegeben zu haben. Von den insgesamt 30 Millionen € Fördergeldern gingen 20 Millionen ausschließlich ins Ahrtal. Außerdem wurden neue elektronische Warnsysteme installiert und in Betrieb genommen. Neben modernen Sirenen gehört dazu auch eine App für das Smartphone. Diese soll die Anwender rechtzeitig vor einer möglichen Überschwemmungsgefahr warnen und einen lauten Signalton im Fall einer möglichen Flutkatastrophe abgeben.
Bild zum Beitrag: Quelle THW/Michael Matthes